Buccaneer.zone

Welcome to the Buccaneer.Zone

Buccaneer.Zone ist das schöpferische Zuhause der Autoren Landa García Hernández  &  Daniel Khafif, geb. Kreutel.

Sie finden in der Buccaneer.Zone aktuelle und archivierte Beiträge aus Literatur und Lyrik, Novellen und Essays, aber auch Sachtexte aus der Wirtschaft und Politik, angereichert mit Gedanken aus Kunst, Literatur und Philosophie.

Sie lesen in diesem Logbuch Texte von uns, Landa García und Daniel Khafif, sowie von Kollegen, Gastautoren und Schriftstellern, die sich sowohl an tagesaktuellen Debatten, wie auch an vergangenen, ja verborgenen Themen aus Kultur und Geschichte, die ins Hier und Jetzt ragen, mit wertvollen Beiträgen zu Wort melden.

Buccaneer.Zone hegt das Einzigartige, Eigene und Selbstbestimmte, weswegen wir Mundarten, und Dialekte in ihrer Schreibweise belassen. Wir pflegen wegen unserer Wahlheimat Dublin und der teils tatsächlichen Heimat, der andalusischen Hafenstadt Cádiz, ein besonderes Faible für die Seefahrt, ja für Verborgenes und Mystisches , und für Natur und Kontemplation im Allgemeinen. Das muss nicht die See, sondern kann auch ein Gebirgstal darstellen. Oder ein Gemälde aus der Renaissance, ein aktuelles Musikstück oder auch ein Vers aus der Romantik sein. Stets aber ein Werk oder Gedanke mit tiefer Radianz.

I) Über Buccaneer.Zone

Schon unter Sir Francis Drake, und vor allem im ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum Ende des spanischen Erbfolgekriegs 1715 genossen zahlreiche Menschen an Bord der karibischen Bukaniere mitunter mehr Freiheiten, als an Land: Befreite Sklaven aus Afrika, geflohene Indios, verschleppte Frauen, Asiaten, Europäer, Marginalisierte…Ethnien und Konfession jeglicher Couleur kamen unter der Kaperflagge vereint zusammen.

Sicherlich nicht konfliktfrei, hart und skrupellos muß es an Bord zugegangen sein, wenn wir den Geschichten eines Blackbeard, eines William Dampier oder Calico Jack Rackham folgen mögen. Aber dennoch waren die Bukaniere mehr selbst bestimmt im Freibeuter – Leben, denn in den engen Grenzen hierarchischer Ordnung an Land. Ein ehemaliger Sklave aus Schwarzafrika als Bootsmann? Eine Frau in der Navigation? Ein Mestize Offizier? Gar Kapitän? Unmöglich seinerzeit.

Als die Freibeuter von den Kariben, dem in der gleichnamigen See ehemals weit verbreiteten, durch Seuchen und Eroberung durch die Europäer nahezu ausgelöschten Indio – Stammes erfuhren, wie sie Fleisch, Obst und Fisch konservieren konnten, also flexibler reisen konnten, bildeten sich erste kleine Kommunen von Freibeutern in der Karibik. Die Kariben sprachen, wie auch die Cohiba Indios auf Cuba und die Xaimaca – Indios auf  Jamaica die Sprache Arawak

Im „Bukane“ – Verfahren, dem (Arawak = rösten, dünsten) werden so Fleisch, Fisch und Obst im Rauch getrocknet, bis es außen völlig konserviert ist, innen aber saftig bleibt. So verdarb die Nahrung nicht unter der tropischen Sonne. Fortan wurden die Freibeuter von Spaniern, Franzosen, Niederländern und Briten Bukanier, engl.: „buccaneers“ genannt. Analog zum Aufstieg des römischen Imperiums, jedes Imperiums, damals des britischen Empires, das den Stabwechsel mit den Portugiesen und Spaniern und bald darauf mit den Niederländern und Franzosen einleitete, bilden drei Elemente die Basis einer jeden Eroberung und Kriegsführung:

1. Kommunikation. 2. Wegenetz und 3. Lückenlose Nahrungskette. Gerade letzterer Punk machte Schiffe auf offener See immer angreifbar. Im harten tropischen Klima waren Freunde wie Feind darauf angewiesen, nahe der Küsten zu operieren, um frisches Wasser und Obst aufzunehmen. Damit wurden die Schiffe, weithin sichtbar, stets zum Ziel.

Die Karibik bildete sämtliche Frontlinien des alten Kontinents ab, gerade während des spanischen Erbfolgekrieges, dem ersten wirklichen Weltkrieg der Neuzeit auf mehreren Kontinenten. Briten, Franzosen, Spanier, Habsburger, Portugiesen, Niederländer, Dänen…alle im Kampf. Und alle mit Kolonien in der Karibik. Kurz: Durst und Hunger führten direkt in die Gefahr.

Die Bukaniere indes verließen die großen Schiffe, nutzten kleinere Boote, Schaluppen und Segler, mit denen sie unerkannt und blitzschnell von Bucht zu Bucht huschen und die Boote verstecken konnten. Sie bildeten an Land erste Gemeinden einer Art Protodemokratie: Kapitäne und Kapitäninnen wurden, gleich ihrer Herkunft, Ethnie oder Konfession, per Handzeichen gewählt – und abgesetzt. Natürlich blieben die Bukaniere Kaperfahrer, Räuber, aber unter der jeweils bietenden Flagge eben auch Freibeuter und Händler, oftmals, wie William Dampier, der die ganze Westküste Australiens absegelte, auch Entdecker, Forscher, Dichter und excellente Kartographen.

Doch mit dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges 1715 benötigten die Briten keine Freibeuter mehr. Die bewaffneten Söldner zur See bedeuteten der britischen Krone plötzlich eine Gefahr – weniger wegen ihrer Waffen, als mit ihrer latent ansteckenden Idee von Freiheit.

Also wurden sie fortan sämtlich als Vogelfreie und Gesetzlose vefolgt und bei Ergreifung gehenkt.

Doch eines lernten die Admiräle der Royal Navy: Der Drang nach Selbstbestimmung , Freiheit und Emanzipation, der Wunsch, aufsteigen zu können, ließ sich nicht bremsen. Was, wenn dieser Wunsch exportierbar wäre? Wenn andere Länder dies kopieren würden.

Es war das Jahr 1715, heute 200 Jahre her, als Freibeuter Kapitäne wie William Dampier dank dieser Erkenntnis gerade so eben NICHT bestraft wurden. Sechzig Jahre später begann der amerikanische Unabhängigkeitskrieg…und gerade 13 (!) Jahre später die französische Revolution.

Napoleon war in Europa zu sehr beschäftigt, als sich dann noch um die riesigen amerikanischen Besitzungen von der Hudson Bay, Quebec über den Mississippi bis an den Golf von Mexico zu kümmern. Der Mittelwesten ging an die jungen USA. Und die Briten stellten bald darauf Industrie und Handel zur Verfügung.

Was lernen wir daraus? Zwei Dinge:
1.: Freiheitsdrang ist niemals aufzuhalten.
2.: Exportiere diesen Drang und beschäftige deine Gegner.

Dieser Blog, buccaneer.zone,  ist den demokratischen und freiheitlichen Gedanken nach Selbstbestimmung und Emanzipation folgend ein Ort für Gedankenaustausch, Geschichten und Geschichte, Kultur und Philosophie. Vorwiegend mit Literatur und alten Quellen, die, wie die eben erzählte Allegorie, trotz oder gerade wegen ihrer Verborgenheit und Vergessenheit im Hier und Heute mehr über uns erzählen, als zu ihrer Zeit.

Wir, die Autorin Landa García und Autor Daniel Khafif schürfen immer wieder mal im Sediment der Weltgeschichte nach alten Quellen und Texten, um Verborgenes zu Tage zu bringen.

Buccaneer.Zone zieht wie ein Schiff auf hoher See, öffnet neue Horizonte und ist, je nach Kurs, hier solide an der Küsten verankert und dort dem Spiel der Gezeiten folgend.

Aye!

II) Wie es wurde, was es ist:

 

„Ruf der Karibik!“

Alles begann mit Long John Silver. Diese Figur aus dem Roman „Die Schatzinsel“ (Treasure Island) des wunderbaren schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson galt seit seiner Londoner Buchveröffentlichung 1883 als romantischer Inbegriff des Piraten schlechthin: Listig und lustig, einbeiniges Raubein, mit Augenklappe im Gesicht und plapperndem Papagei auf der Schulter, gesegnet mit einem Herz aus Gold. So wie viele Kinder sah ich Byron Haskins erste Filmadaption von 1950 und sog die Mischung aus Abenteuerlust und Südsee tief in meinen Geist ein, träumte davon, ebenso einen unangepaßten, mutigen und schlauen Freund wie Long John Silver zur Seite zu haben.

Foto: DugganArt

The Gentleman Buccaneer, Illustration / Foto: ©DugganArt

Das nächste Schlüsselerlebnis hatte ich zur Abiturzeit, beim Drehen meiner ersten Zigaretten, als ich in einem Tabakladen die Marke „Buccaneer“ entdeckte, mit der Zeichnung eines unrasierten Seemanns mit Augenklappe, Perücke und Säbel auf der Packung. Ich orderte den „Buccaneer“, neugierig auf den Whisky darin und den Geruch daran. Ich drehte, rauchte und schmauchte den Buccaneer, bis ich Kopfschmerzen bekam. Es gab noch lange kein Internet und so übersetzte mir das Schulwörterbuch den Begriff „Buccaneer“ lapidar mit „Pirat und Freibeuter“. Was ein Pirat war, wusste ich, doch was meinte das Präfix „Frei“ vor dem „Beuter“? und dann las ich noch ein Comic über Flibustiere. Dieselbe Gegend (Palmen, Riffe, Strand), dieselben Typen (Perücken, Dreispitz, Säbel), aber wieder ein anderer Begriff. Flibustiere. Klingt zoologisch, meint aber vor allem die französischen Piraten, die ab etwa 1625 auf kleinen, aber schnellen und leichten Booten (= frz.: „Flibot“) Raubzüge an den Küsten der Antillen unternahmen und dabei von Bucht zu Bucht schipperten, um ihre Boote rasch in Flussmündungen oder Coves zu verstecken und Proviant aufzunehmen…

Für größere Kaperfahrten wurden aber größere Mengen an Nahrung und Wasser benötigt. Englische und französische Flibustiere schauten sich auf Haiti und Jamaica ein Verfahren zur Konservierung von Fleisch ab, das die indigenen Ureinwohner praktizierten: So wurde auf einem Rost ( = Arawak: „Bukan“ ) bei geringer Glut Fleisch von wilden Ziegen, Rindern oder eingeführten Schweinen langsam gedörrt, dann geröstet, das so trotz tropischer Sonne über lange Zeit nicht verdarb. Nach diesem Verfahren, das Ihnen längere Strecken an Land wie zur See gestattete, nannten die Briten diese neuen Seeräuber „Buccaneers“ = Bukaniere !

Die unterschiedlichen Namen definierten die Seeräuber: So waren Freibeuter im Auftrag für eine Nation unterwegs und Bukaniere für einen lokalen Kommandeur oder Gouverneur. Beide wurden mit offiziellen Kaperbriefen ausgestattet. Mit dem Lateinischen Begriff „Pirat“ (aus dem griechischen peiran = wegnehmen), wurden Seeräuber bezeichnet, die nur unter eigener Flagge und auf eigenes Geheiß segelten und damit von allen Seiten verfolgt wurden. Für die im 17. Und 18. Jh. Krieg führenden Europäer bedeuteten Bukaniere und Freibeuter eine „low – budget“ Variante, um fern der eigenen Gewässer eine Art Guerillakrieg zu führen.

Die Freibeuter segelten auf eigene Verantwortung und eigene Gefahr, bekamen einen Teil der Prise und brauchten in Friedenszeiten nicht weiter versorgt werden. Besonders mit dem spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1715), der zwischen den großen europäischen Mächten geführt wurde und mit seiner weltweiten Ausdehnung auf alle Kolonien als erster Weltkrieg der Geschichte bezeichnet werden kann, füllte sich die Karibik voller Freibeuter und Bukaniersflotten.

Aus dieser Ära, die das „Golden Age of the Buccaneers“ bezeichnet, entspringt unser Bild des Piraten. Mit dem Ende des Erbfolgekrieges waren plötzlich hunderte Freibeuter der Karibik arbeitslos: Sie setzten ihre Dienste offiziell Marine oder Handelsmarine fort, wurden sesshaft oder blieben –als Piraten – an Bord ihrer Schiffe. Nunmehr vogelfrei erklärt, wurden sie von den ehemaligen Kriegsparteien vereint gejagt. Kapitäne, die sich trotz Mangel an Nachschub und politischer Unterstützung weiter erfolgreich als Piraten behaupteten , erlangten rasch berüchtigten Ruhm: Blackbeard, Sam Bellamy, Jack Rackham, Edward England und viele Andere, deren Namen, Flaggen und Schiffsnamen bis heute bekannt sind.
Natürlich gab und gibt es Piraten überall auf der Welt, mal von Mythen umwoben wie bei Störtebeker, mal von Makel begleitet wie bei den heutigen Seeräubern. Doch das Bild, welches wir in Europa vom Piraten haben, ist das des karibischen Bukaniers: Als Robert Louis Stevenson mit der Figur des „Long John Silver“ das Motiv des „guten Piraten“ schuf, adaptierte er den Charakter des „Edlen Wilden“, den Daniel Defoe mit Robinson Crueso’s Partner Freitag entwickelte.

Der gute Pirat hatte historische Vorbilder: William Dampier (1651 – 1715) , der als Entdecker, Navigator, Kartograph, Autor und Biologe berühmt wurde. Oder Sam Bellamy, der Gentleman – Pirat, der nur aus Treue zu seiner Geliebten zum Bukanier wurde, viele Sklaven befreite, unnötige Gewalt verabscheute und schließlich in einem Sturm 1 Meile vor dem neuenglischen Küstenort seiner Geliebten ertrank. Auch der „böse“ Pirat hat echte Bezüge, die eher kaltblütigen Kapitäne Blackbeard, Bartholomew Roberts oder Emanuel Wynn, der erstmals den Jolly Roger, hisste und die bis heute bekannte Piratenflagge mit gekreuzten Knochen und Schädel entwarf.

ortrait of Dampier holding his book, a painting by Thomas Murray (c. 1697–1698) BornBaptised 5 September 1651 East Coker, Somerset, England Died March 1715 (aged 64) London, England Nationality British Occupation Privateer and explorer Known for Exploring and mapping Australia, Circumnavigation

Portrait of Captain William Dampier holding his book, here in a painting by Thomas Murray (c. 1697–1698) Born Baptised 5 September 1651 East Coker, Somerset, England Died March 1715 (aged 64) London, England Nationality British Occupation Privateer and explorer Known for Exploring and mapping Australia, Circumnavigation

Das Genre des Pirtenromans generierte den Piratenfilm. Der böse Captain Hook mit dem Vorbild Blackbeard taucht später bei Walt Disney’s „Peter Pan“ genauso auf wie sein Antagonist in Errol Flynn’s Paraderolle als „Captain Blood“. Spätestens seit Johnny Depp als Captain Jack Sparrow im Kino – Mehrteiler „Fluch der Karibik“ Millionen Zuschauer weltweit vor die Leinwände bannte, berührt die Welt der Piraten ein Massenpublikum.

Captain Blood, Jack Sparrow oder Long John Silver mit ihren Vorbildern William Dampier oder Sam Bellamy sind stilisierte Figuren, ja Ikonen: Dieser Archetyp des Freibeuters ist dem europäischen Betrachter seit dem „goldenen Zeitalter der Buccaneers“ Mitte des 17. Bis Anfang des 18. Jahrhunderts visualisiert: Zwischen Hochbarock und Rokoko trug der Offizier die Perücke, darüber den Dreispitz. Der Säbel symbolisierte Stand und Führung und funktionierte auch in feuchter Seeluft – im Gegensatz zu Schusswaffen. Ihren Besitz trugen Seeleute in Form von Ringen und Ketten am Körper, denn Geldbörsen wurden verloren, geklaut oder gingen über Bord. Ein Teil der gekaperten Beute wurde als Prise ausgezahlt; Gegenstände aus Gold und Silber wurden noch an Bord zerhackt, geschmolzen und in Ringe, Ketten und Armreife gegossen. So führte keine Spur auf die Herkunft des Edelmetalls und der Seemann hatte in jedem Hafen ein akzeptiertes Zahlungsmittel.

Rum – das braune Gold.
Ein weiteres wichtiges Zahlungsmittel war der karibische Rum besonders der Jamaica – Rum. Autor Dirk Becker hatte bereits in Mixology Nr. 5 / 2010 mit seinem fundierten Beitrag über den „Navy Style Rum“ über die historische Verbindung von Rum und Seefahrt berichtet. Doch welche Rolle spielten dabei die Piraten der Karibik? Ein Blick zurück: Erst mit der Reconquista und der Eroberung Granadas 1492 kamen die Europäer überhaupt in Kontakt mit Rum, doch vermochten sie ihn mangels Kenntnis von Zuckerrohranbau nicht selber herzustellen – im Gegensatz zu den Arabern, welche Rum seit langem in ihren transsaharischen Territorien und den Inseln des indischen Ozeans produzierten. Mit der Expansion nach Westen, ins Mittelmeer und auf die iberische Halbinsel gelang es Ihnen sogar die Kultivierung von Zuckerrohr in weit nördlichere Gebiete.

Jolly Roger flown by Calico Jack Rackham.

Jolly Roger flown by Calico Jack Rackham. Illustration: Ein der klassischen Piratenflaggen, hier: „The Jolly Roger“, flown by Captain Calico Jack Rackham.

Mit dem Ende der arabischen Hochkultur verschwand, wie so Vieles, auch die Kenntnis über die Produktion von Zuckerrohr und Rum. Columbus hatte aber, ganz weitsichtig, die letzten Pflanzen nach seiner zweiten Amerikareise Reise 1493 auf Hispaniola eingeführt. Doch erst sehr viel später, über Brasilien und Jamaica, sollte die bis dato einzige Zucker liefernde Pflanze ihren erfolgreichen Anbau in den neuen Kolonien der Europäer beginnen. Ab dem 17. Jahrhundert schließlich entwickelte sich die Idee, in größerem Maße Schnaps aus dem Süßgras zu brennen. Den ersten beurkundeten Hinweis auf den Namen finden wir um 1650 als „rumbullion“ (engl. = Aufruhr, Tumult) und besonders seit dem 8. Juli 1661 von General Edward Doyley, den 1. englischen Gouverneur von Jamaica, welches die Spanier mit der Eroberung von Admiral William Penn 1655 verloren. Ab 1667 wurde der Schnaps offiziell als „Ron“ (kastillisch) bzw. Rhum“ (französisch) bezeichnet.

Jamaica, günstig unter dem Wind gelegen, mit vielen Buchten und Naturhäfen und mitten in der Karibik vergrößerte den englischen Einfluß in der Neuen Welt: Die Kleinste der Großen Antillen war idealer Ausgangspunkt für Kaperfahrten auf spanische und französische Ziele. Während Franzosen und Spanier noch Cognac und Brandy in Eichenfässern in die Karibik transportierten, der schnell verdarb, begannen die Engländer nun mit der Produktion von Rum: Zuckerrohr wuchs überall in den Tropen, ließ sich ganzjährig ernten, gut destillieren und trotz der Hitze einfacher lagern. Rum aus der Karibik entwickelte sich für die britische Krone wie später Gin aus Indien zu einem wertvollen Gut, das auch in Europa erfolgreich verkauft werden konnte. Sowohl Freibeuter wie offizielle Marine zahlten einen Teil der Heuer durch Rationen von Rum aus. Vor allem der ehemalige Kaperfahrer Henry Morgan, (selbsternannter „Chefadmiral aller Bukaniersflotten“ und Verfasser des „Piratencodex“, erst auf Jamaica verhaftet, dann 1674 in London begnadigt und als Gouverneur von Jamaica in den Adelsstand erhoben), führte Rum als offizielles Zahlungsmittel für seine Flotte ein.

Rum als Handelsgut entwickelte sich ab Anfang des 18. Jahrhunderts derart erfolgreich, dass auch Spanier und Portugiesen das Modell kopierten und Rum aus Venezuela, Pánama, Brasilien, Haiti, Puerto Rico und Kuba den Weg nach Europa fand. Zur Hochhaltung der Preise erteilte die britische Admiralität immer mehr Kaperbriefe, um spanische Schiffe aufzubringen und neben Gold und Silber auch die Rumlieferungen nach Europa unter Kontrolle zu bringen. Doch der Plan konnte nicht aufgehen – zu viele Brennereien entstanden, bald auch auf den Kanaren, Kap Verde, den Phillippinen, Sri Lanka und Ecuador sowie im indischen Ozean Madagascar, La Réunion, Mauritius usw.
…das alles war auch für die gewieften englischen Freibeuter nicht zu erobern. So dehnten die Engländer zunächst die Warenpalette tropischer Güter aus: Tabak, Kakao, Kaffee und Baumwolle befüllten die europäischen Häfen und Börsen. Ihre Freibeuter trotzten in zahllosen Scharmützeln immer mehr Boden in der Karibik ab: Belize, Guyana, Barbados, Haiti…Die Plantagenwirtschaft begann und wurde in den sicheren Kolonien der amerikanischen Ostküste erfolgreich fortgeführt.

„Kohle“ an Bord!
Um die flächendeckende Produktion in sengender Hitze zu gewährleisten, benötigten die Händler immer mehr vom wichtigsten Gut: Menschliche Arbeitskraft! Nach dem Genozid an den indigenen Völkern folgte ein neues, trauriges Kapitel europäischer Machtentfaltung in der Karibik: Die Sklaverei! Der Bedarf an billigen Arbeitskräften forderte immer mehr Menschen und setzte den Exodus von Millionen Westafrikanern in Gang. Neben Gold, Silber, Rum und Tabak Fortan konzentrierten sich die verfeindeten Mächte auf das Kapern von Sklavenschiffen. Ein erobertes Sklavenschiff bedeutete Schaden für die gegnerische Produktion und gleichzeitig Arbeitskraft für die eigenen Plantagen.

Hier nehmen die Buccaneere eine besondere Stellung ein, die den Mythos des „guten Piraten“ nachhaltig belebte: Freibeuter und Buccaneere wie der „Gentleman – Pirat“ Sam Bellamy oder der Entdecker William Dampier befreiten die Sklaven geenterter Schiffe und gliederten sie als vollwertige Mitglieder in ihre Mannschaften ein. Gerade die Afrikaner erwiesen sich so als besonders schlagkräftige Bukaniere, voller Haß auf ihre Entführer und besonders loyal zu ihrem Kapitän, denn eine Niederlage auf See endete zwangsweise wieder in der Sklaverei. Sie konnten unter den Freibeuterkapitänen eigenen Besitz mehren und Führungspositionen erreichen.
Ausgerechnet bei den Piraten des 17. und 18. Jahrhunderts fanden verschleppte Afrikaner also erstmals Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – lange vor der französischen Revolution und noch länger vor dem offiziellen Ende der Sklaverei. Denn bei allem Pioniergeist und aller Geldgier wohnte allen Freibeutern derselbe Geist inne:

Der Wunsch nach Selbstbestimmung.

 

Weitere Informationen:

Online zuerst veröffentlicht bei Netzpiloten.de hier
Foto: DugganArt
Print – Erstveröffentlichung in mixology 1/2011

 

Über den Autor

Daniel Khafif, geb. Kreutel, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Komparatistik in Sevilla, Saarbrücken, Cádiz, Florenz, Dublin und Berlin. Nach seinem Studium volontierte er ab 1997 zum Sprecher und Nachrichtenredakteur bei einem Berliner Radiosender und erlernte anschließend das Handwerk des Drehbuchschreibens beim filmboard Berlin-Brandenburg in Potsdam.

Seit 1999 arbeitet Daniel Khafif als Autor, Berater und Dozent im Bereich Corporate Publishing. Er war Schöpfer von Magazin- und Medienformaten, u.a. in der Automobilbranche, in der Luftfahrt und Touristik. Er leitete u.a. die viersprachige Redaktion des Corporate Magazins der EADS/Airbus. Von 2011 bis 2018 führte er die Gesamtkommunikation der international operierenden Energie-Unternehmen enQu GmbH und statt-werk GmbH. Er gründete den Newsblog enQuery für Nachrichten aus der Energiewelt und leitete diesen bis zur Übernahme durch einen Investor.

Für das Fotoreisebuch „7 Helden“ bekam er zusammen mit dem Team der Suzuki-Markenkommunikation um Prof. Sven Voelker, Designer Nils Voelker und Fotograf Kay Michalak als Autor 2007- und 2008 den Golden IF – Award für die Travel – Stories des Suzuki Glove Box Book.

Neben technischer Redaktion, Wirtschaftspublikationen und journalistischen Beiträgen bleibt Daniel Khafif weiter seiner Ausbildung zum Autor und Erzähler fiktiver Stoffe und Texte treu: Seine Groteske „Flucht“ erschien 2015 im Berliner Mikrotext – Verlag in der Anthologie (e-Book): „Blogger schreiben für Flüchtlinge“.

Daniel Khafif rezitiert als Autor von Geschichten um Flucht, Reisen und Vertreibung auf verschiedenen Bühnen wie 2016 und 2017 im Geburtshaus von Kurt Tucholsky, dem Zagreus Projekt (beide Berlin) dem Kulturbüro Puchheim/Obb. oder dem Festspielhaus München.

Im Dezember 2018 erschien sein erstmals 2015 im Münchner FestSpielHaus als Hörtheater uraufgeführtes Weihnachtsmärchen „Der Schneeberg“ als Hörbuch in der Edition Buccaneer.Zone. Seine Winternovelle „Kartentausch“ mit Sprecher und Schauspieler Enea Lanzarone ist bereits in Hörbuchproduktion (Hörprobe hier). Ab 2019 arbeitet Daniel Khafif an einem Leitfaden für Corporate Story Telling.

Der Autor lebt und arbeitet wechselnd mit seiner Familie in Berlin und München.

Tags: Buccaneer, Freibeuter, Pirat

Aktuelle Beiträge