AI & Mobility: Das Rehkitz und der fahrerlose Mähdrescher

Datum: 30/12/2018
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Kategorien: Reportagen

Connected Mobility & AI: Die Tech – Retrospective 2018

von Daniel Khafif

Automation und Digitalisierung haben spätestens 2018 auch die Nutzfahrzeuge erreicht. Spätestens auf der IAA #nfz in Hannover im September 2018 zeigten die Hersteller von Lastkraftwagen, Onibussen oder Mähdreschern, daß sie beim digitalen Wandel nicht nur mit den Fahrzeugbauern von Pkw und Motorrädern mithalten können, sondern vielmehr die Entwicklung hin zur automatisierten Fortbewegung bereits antreiben und die Automobilbranche signifikant vorantreiben. Kunden begrüßen agilere Methoden und rasantes Change Management seitens der Industrie und ordern heute mehr elektrifizierte und vollautomatisierte Nutzfahrzeuge, als noch vor wenigen Jahren. Für diesen Move im Nutzfahrzeug-Markt gibt es mehrere Gründe:

1. Mehrwert: Aufgabe und Zweck des Nutzfahrzeugs ist Arbeit, nicht Status. Der Geschäftswert eines Nutzfahrzeugs ist dessen Effizienz. Je länger ich ein Nutzfahrzeug nutze, um so mehr amortisiere ich dessen Anschaffung. Bei einem PKW verhält es sich genau antiproportional.

2. Emotionale Bindung: Der Status eines Nutzfahrzeugs ist weniger wichtig, als beim privaten PKW. Auf dem Feld mag der Landwirt einen verbeulten Trecker fahren, doch in seiner Garage ruht höchtwahrscheinlich eine gepflegte Limousine. Ergo ist die Bereitschaft, für die Arbeit auf eine effizientere Marke gleich welchen Herstellers umzusatteln, weit höher, als bei einem PKW, der immer noch Prestige und sozialen Status zeigt.

3. Reichweite: Gerade für Omnibusse und andere Nutzfahrzeuge im ÖPNV, in der kommunalen Entsorgung und Infrastruktur wie bei der Müllabfuhr oder dem Krankentransport bildet die Umstellung auf e-Mobilität durchweg Vorteile: Ladesäulenabdeckung im urbanen Raum ist einfacher zu installieren, als auf Fernstraßen.Das Problem der kürzeren Streckenreichweite von E-Antrieben gegenüber konventionellen Verbrennungsmotoren ist auf kommunaler Ebene weniger gravierend, als beim Fernverkehr.

4. Geringerer Wartungsaufwand: Die Abnutzung und Wartung von E-Antrieben ist gerade bei der permanenten Nutzung im Stadtverkehr, häufigem Anfahren, Abbremsen und geringeren Geschwindigkeiten deutlich reibungsloser, als bei Verbrennungsmotoren. Eine permanente Nutzung im intensiven Stadtverkehr verursacht weniger Korrosion im E-Antrieb, als beim Verbrennungsmotor.

5. Lärmbelastung und Emission: Dass E-Antriebe helfen, den kommunalen Raum von Lärm, Feinstaub und CO2 – Emission zu entlasten, dürfte so ziemlich jedem klar sein. Aber auch auf dem Land, im Tagebau und an Baustellen können E-Antriebe die Emissionslast und die Ökobilanz massiv senken, was den Wohnwert am Rande von landwirtschaftlichen Nutzflächen oder Industrieanlagen spürbar erhöht.

6. Angebot: Selbstverständlich schlafen die Innovations-Manager im Nutzfahrzeug-Markt genau so wenig, wie deren Kollegen in der PKW-Produktion. Doch das Angebot elektrifizierter und automatisierter Produkte in der Nutzfahrzeugbranche ist, gemessen an der Fabrikationsmenge, ungleich höher, als in der PKW-Fabrikation. Das liegt an den oben genannten fünf Faktoren – und dazu: Viele Applikationen wie remote drive, leistungsfähigere Batteriespeicher oder Safety – Sensorik werden seitens der Hersteller zunächst im Nutzfahrzeug getestet, bis sie die Reife zur Massentauglichkeit bekommen. Denn die Automatisierung von Flotten und Fuhrparks ist im City-Betrieb derzeit noch schneller und preisgünstiger vorzunehmen, als der Change beim lokalen Vertragshändler, der zumindest nahfristig noch all seine Kunden mit Verbrennermotoren zufrieden stellen und laufende Verträge einhalten muss.

7. Arbeitsmarkt:

Vertriebsteams, die für überregionale Sales-Aktivitäten täglich noch hunderte Kilometer zu ihren Kunden fahren müssen, werden nah- bis mittelfristig noch nicht auf E-Antriebe umsatteln können. Hier werden nicht nur die Verbrennungsmotoren noch eine ganze Weile links blinkend auf der Autobahn vorbei ziehen, sondern auch deren Fahrer. Ganz anders sieht es bei der kommunalen Personenbeförderung oder im regionalen Logistikgewerbe oder im Tagebau aus: Hier lassen sich bereits jetzt schon temporär die Fahrer einsparen, welche mit automatisierten Abläufen, programmierten Wegen und remote drive nicht mehr unabdinglich im Cockpit des Krans, Gabelstaplers oder Busses sitzen müssen.

Digital Change und Arbeitsmarkt in der Automobil – Branche

Langfristig dünnen an dieser Stelle sicherlich klassische Berufe des Kranführers oder Busfahrers aus, doch über entsprechende Schulungen können sich genau diese Fachkräfte erstens weiter innerhalb ihrer Branche zum Fahrzeuglogistiker, ÖPNV – Mechatroniker oder Sicherheitstechniker weiterbilden und qualifiziertere Arbeiten in Anspruch nehmen und zweitens liefert  der digitale Wandel auch im Sektor der einfach qualifizierten Fachkräfte zahlreiche neue berufliche Aufgaben, von der Wartung bis zum Personen-Service. Dennoch wird es bei allen neuen Chancenauch teils harte Rupturen geben, da hilft kein Schönreden. Doch diese Rupturen würden auch eintreten, wenn ein Betrieb keinen Change im Flottenmanagement vornehmen würde, spätestens dann, wenn die elktrifizierte und automatisierte Konkurrenz am konventionellen Anbieter vorbeisegelt – und diesen zwingen würde, Stellen abzubauen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Und bei diesem Stellenabbau trifft der Wechsel die geringer qualifizierten Fachkräfte schneller und härter, als bei einem sanften Übergang. Das gilt übrigens nicht nur für die Automobilbranche, sondern für alle vom digitalen Change betroffenen Branchen, allen voran die Medien.

Gleichwohl eröffnen sich für Fahrzeugbauer im Rahmen der Automatisiserung und Digitalisierung ihrer Produkte neue Absatzwege und neue Chancen: Die großvolumige Erfahrung beim Umbau ganzer Produktions- und Lieferketten könnten Autobauer und Zulieferer, die seit jeher auf viele abrupte Herausforderungen am Markt reagieren müssen (Stahlkrise, Arbeitslöhne, Zölle u.v.m.) an ihre nachgeordneten Marktteilnehmer oder auch andere Branchen (Luftfahrt, Touristik, Logistik u.a.) weitergeben, und damit ihren traditionellen Skill der Innovationsfreude und Pionierfunktion auch in der digitalen Ära konsolidieren.

„Der Wettbewerb um Köpfe, Kapital und Daten ist im vollen Gang.“ (Peter Altmaier, Bundesminister, BMWi)

Zweitens reagiert bereits der Gesetzgeber mit Anreizen wie dem „Digital-Gipfel 2018“, welcher am 4. Dezember 2018 unter der Ägide des BMWi startete. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) setzt insbesondere zur Arbeitsplatzförderung im digitalen Wandel finanzielle Mittel des Bundes ein, um den Produktionsstandort Deutschland nicht nur wettbewerbsfähig zu halten, sondern auch neue Arbeitsplätze und Berufsbilder zu generieren und erklärt während des Digital-Gipfels: „Der Wettbewerb um Köpfe, Kapital und Daten ist im vollen Gang. Deshalb wollen wir Deutschland zu einem führenden Standort bei KI machen und stellen auch mit unserer KI-Strategie bis 2025 rd. 3 Mrd. Euro zur Verfügung, um die Entwicklung anzuschieben.“ Das bedeutet, daß sowohl für KMU wie international operierende deutsche Unternehmen Mittel zur Aus- und Weiterbildung ihres Personalbestands als auch zur Anwerbung und Qualifizierung neuer Fachkräfte bereitgestellt werden und von den Unternehmen je Förderungsbedarf und-eignung abgerufen werden können. Zwar bleibt das unternehmerische Risiko bei der Anpassung im digitalen Wandel bestehen, doch wird es seitens neuer, zeitgemäßer Rahmenbedingungen durch Bund und Länder heute mehr abgefedert, als noch in der letzten Legislaturperiode. Das Automobil bleibt auch in der elektrifizierten und automatisierten Ära die wichtigste Säule der deutschen Industrie. Das haben nicht nur die Branchenakteure, sondern auch die Politik erkannt.

Ausblick: Berufsbilder der Connected Mobility

Über die mittel- bis langfristigen Prognosen im digitalisierten Arbeitsmarkt, speziell in der Automobil-Industrie spreche ich hier auf Buccaneer.Zone noch ausführlicher zu einem späteren Zeitpunkt. Als Autor und Berater für Kommunikation in der Autombil-Branche kann ich Ihnen so viel bereits heute mitteilen: Grundsätzlich ändert der Produktionsfluss nicht seine Fließrichtung, sondern nimmt nur weitere Mitbewerber aus der AI, des IoT, der Zulieferer und anderen Marktakteuren auf, die fortan in der gleichen Strömung schwimmen. Es bleibt also alles im Fluss.

Analyse IAA #nfz 2018: Interview mit Wolfgang Macht für die Netzpiloten

Einen kleinen Einblick in die Thematik liefert das Interview „Das Rehkitz und der fahrerlose Mähdrescher„, das Digital-Pionier Wolfgang Macht anläßlich der IAA – Nachlese im September 2018 mit mir für die Netzpiloten führte, für die ich ebenfalls schreibe. Der folgende Link führt Sie auf die Seite der Netzpiloten, wo das Interview exklusiv erschien:

Das Rehkitz und der fahrerlose Mähdrescher

 

"Es bleibt alles im Fluss." Portrait: Daniel Khafif. Isar, München. Foto: (c) Landa García, München, 2016.
"Es bleibt alles im Fluss." Portrait: Daniel Khafif. Isar, München. Foto: (c) Landa García, München, 2018.

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