The Buccaneer Zone
Ein historische Allegorie der Selbstbestimmung, von Landa García & Daniel Khafif.
Im ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum Ende des spanischen Erbfolgekriegs 1715 genossen zahlreiche Menschen an Bord der karibischen Bukaniere mitunter mehr Freiheiten, als an Land: Befreite Sklaven aus Afrika, geflohene Indios, verschleppte Frauen, Asiaten, Europäer, Marginalisierte…Ethnien und Konfession jeglicher Couleur kamen unter der Kaperflagge vereint zusammen.
Sicherlich nicht konfliktfrei, hart und skrupellos muß es an Bord zugegangen sein, wenn wir den Geschichten eines Blackbeard, eines William Dampier oder Calico Jack Rackham folgen mögen. Aber dennoch waren die Bukaniere mehr selbst bestimmt im Freibeuter – Leben, denn in den engen Grenzen hierarchischer Ordnung an Land. Ein ehemaliger Sklave aus Schwarzafrika als Bootsmann? Eine Frau in der Navigation? Ein Mestize Offizier? Gar Kapitän? Unmöglich seinerzeit.
Als die Freibeuter von den Kariben, dem in der gleichnamigen See ehemals weit verbreiteten, durch Seuchen und Eroberung durch die Europäer nahezu ausgelöschten Indio – Stammes erfuhren, wie sie Fleisch, Obst und Fisch konservieren konnten, also flexibler reisen konnten, bildeten sich erste kleine Kommunen von Freibeutern in der Karibik. Die Kariben sprachen, wie auch die Cohiba Indios auf Cuba und die Xaimaca – Indios auf Jamaica die Sprache Arawak
Im „Bukane“ – Verfahren, (Arawak = rösten, dünsten) werden so Fleisch, Fisch und Obst im Rauch getrocknet, bis es außen völlig konserviert ist, innen aber saftig bleibt. So verdarb die Nahrung nicht unter der tropischen Sonne. Fortan wurden die Freibeuter von Spaniern, Franzosen, Niederländern und Briten Bukanier, engl.: „buccaneers“ genannt. Analog zum Aufstieg des römischen Imperiums, jedes Imperiums, damals des britischen Empires, das den Stabwechsel mit den Portugiesen und Spaniern und bald darauf mit den Niederländern und Franzosen einleitete, bilden drei Elemente die Basis einer jeden Eroberung und Kriegsführung:
1. Kommunikation. 2. Wegenetz und 3. Lückenlose Nahrungskette.
Gerade letzterer Punkt machte Schiffe auf offener See immer angreifbar. Im harten tropischen Klima waren Freunde wie Feind darauf angewiesen, nahe der Küsten zu operieren, um frisches Wasser und Obst aufzunehmen. Damit wurden die Schiffe, weithin sichtbar, stets zum Ziel.
Die Karibik bildete sämtliche Frontlinien des alten Kontinents ab, gerade während des spanischen Erbfolgekrieges, dem ersten wirklichen Weltkrieg der Neuzeit auf mehreren Kontinenten. Briten, Franzosen, Spanier, Habsburger, Portugiesen, Niederländer, Dänen…alle im Kampf. Und alle mit Kolonien in der Karibik. Kurz: Durst und Hunger führten direkt in die Gefahr.
Die Bukaniere indes verließen die großen Schiffe, nutzten kleinere Boote, Schaluppen und Segler, mit denen sie unerkannt und blitzschnell von Bucht zu Bucht huschen und die Boote verstecken konnten. Sie bildeten an Land erste Gemeinden einer Art Protodemokratie: Kapitäne und Kapitäninnen wurden, gleich ihrer Herkunft, Ethnie oder Konfession, per Handzeichen gewählt – und abgesetzt. Natürlich blieben die Bukaniere Kaperfahrer, Räuber, aber unter der jeweils bietenden Flagge eben auch Freibeuter und Händler, oftmals, wie William Dampier, der die ganze Westküste Australiens absegelte, auch Entdecker, Forscher, Dichter und excellente Kartographen.
Doch mit dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges 1715 benötigten die Briten keine Freibeuter mehr. Die bewaffneten Söldner zur See bedeuteten der britischen Krone plötzlich eine Gefahr – weniger wegen ihrer Waffen, als mit ihrer latent ansteckenden Idee von Freiheit. Also wurden sie fortan sämtlich als Vogelfreie und Gesetzlose vefolgt und bei Ergreifung gehenkt.
Doch eines lernten die Admiräle der Royal Navy: Der Drang nach Selbstbestimmung , Freiheit und Emanzipation, der Wunsch, aufsteigen zu können, ließ sich nicht bremsen. Was, wenn dieser Wunsch exportierbar wäre? Wenn andere Länder dies kopieren würden.
Es war das Jahr 1715, heute 200 Jahre her, als Freibeuter Kapitäne wie William Dampier dank dieser Erkenntnis gerade so eben NICHT bestraft wurden. Sechzig Jahre später begann der amerikanische Unabhängigkeitskrieg…und gerade 13 (!) Jahre später die französische Revolution.
Napoleon war in Europa zu sehr beschäftigt, als sich dann noch um die riesigen amerikanischen Besitzungen von der Hudson Bay, Quebec über den Mississippi bis an den Golf von Mexico zu kümmern. Der Mittelwesten ging quasi für ein Butterbrot an die jungen USA. Und die Briten stellten bald darauf Industrie und Handel zur Verfügung.
Was lernen wir daraus? Zwei Dinge:
1.: Freiheitsdrang ist niemals aufzuhalten.
2.: Exportiere diesen Drang und beschäftige deine Gegner.
Dieser Blog, buccaneer.zone ist den demokratischen und freiheitlichen Gedanken nach Selbstbestimmung und Emanzipation folgend ein Ort für Gedankenaustausch, Geschichten und Geschichte, Kultur und Philosophie. Vorwiegend mit Literatur und alten Quellen, die, wie die eben erzählte Allegorie, trotz oder gerade wegen ihrer Verborgenheit und Vergessenheit im Hier und Heute mehr über uns erzählen, als zu ihrer Zeit.
Landa García und Daniel Khafif schürfen immer wieder mal im Sediment der Weltgeschichte nach alten Quellen und Texten, um Verborgenes zu Tage zu bringen.
Buccaneer.Zone ist das Gedankenschiff auf hoher See,von freiem Geist geleitet, mal solide verankert, mal unterwegs, im Spiel der Gezeiten.
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Aye!
Cádiz, im Oktober 2015