London / Berlin, den 23. November 2015 (dk) – Prince Charles hat heute mal das Große Ganze gesehen: „climate change may have helped cause Syrian civil war„, titelte der Guardian heute am 23. November 2015.
Das ist sicherlich nicht, wie der ewige britische Thronfolger eben zu Bedenken gibt, der Hauptgrund für den in Syrien zusammen mit dem Irak statt findenden, schrecklichsten Bürgerkrieg dieser Zeit. Und schon gar nicht für die abscheulichen Verbrechen zutiefst hasszerfressener, meist junger Banditen, die, egal, ob mit Bärten oder Glatzen, mal Volkszorn grölend, mal einen fernen Rachegott anfauchend, ihrer Hilflosigkeit, ihrer Wut nur durch Mord und Gewalt Ausdruck verleihen. Wobei der so genannte religiöse Terror vor allem deshalb so blutig verläuft, weil treibende Drahtzieher im Hintergrund, denen es gar wirtschaftliche gar nicht so schlecht geht, die Jihadisten finanzieren und ausrüsten können. Was in Europa passieren wird, wenn europäische Radikale jeglicher Couleur über ähnliche Mittel verfügen würden wie im Verborgenen operierende Fanatiker des Glaubens, brauchen wir hier nicht weiter diskutieren. Also spricht Charles auch von den tatsächlichen Schmiermitteln des Kriegs: Verzweiflung auf der einen, Gier auf der anderen Seite. Verzweiflung führt zu Konflikt. Kampf – oder Flucht!
Prince Charles korreliert korrekt Syrien, Krieg und Klima
Aber was hat das mit Klima zu tun? Eine Menge. Denn der Klimawandel ist ein Grund, der fern von Politik und Glaubensfragen viele Krisenregionen noch mehr in die Krise treibt oder gar die Ursache für Konfliktbeschleunigung darstellt: Vor den Kriegen und Konflikten im Maghreb, dem Mittleren Osten und bis Zentralafrika waren lange Dürrephasen wie zuletzt in Syrien der Grund für Ernteausfälle, Artensterben und wachsender Erosion von Ackerböden. Dann brachen Wassernetze zusammen. Mit ihr die Kanalisation, wenn überhaupt vorhanden. Somit und synchron zur steigenden Hitze stieg die Gefahr von Epidemien, Cholera, Gelbfieber. Sogar die Pest meldete sich in Indien kurzfristig zwei mal in zwei Jahrzehnten zurück. Mit Hunger und Seuchen kommt die Armut. Und dann der Krieg. Manchmal kommt auch erst die Armut, dann die Seuche und dann der Hunger. Je nachdem. Aber am Ende kommt immer der Krieg! Schauen wir uns doch heute um. Und damit sind auch die vier apokalyptischen Reiter genannt, wie sie seit ihrer Verkündung im Johannes – Evangelium immer wieder reiten. Erst nacheinander. Dann miteinander.
Albrecht Dürer: „Die apokalyptischen Reiter„, Holzschnitt, Nürnberg 1498, Illustration zur Offenbarung des Johannes.
Was ganz offensichtlich ist, ist die globale Vernetzung sämtlicher Aktionen zu einer Reaktion. Keine Handlung, keine, die sich nicht in einem anderen Teil der Welt reflektieren würde. Wenn wir immer mehr Smartphones benutzen möchten, brauchen wir die seltenen Erden aus Afghanistan und Mauretanien, nur zwei der Länder, die mit islamischem Terror (unter Anderem) zu kämpfen haben. Und wenn dieses verfluchte Palmöl als Biosprit, Nutella – Streckung, Kosmetikschmierstoff oder gar – Achtung Euphemismus – „Biosprit“ verwendet wird, sterben eben die letzten teils endemischen Arten der Flora und Fauna, sterben der Orang Utan auf den wegen mutwilliger Brandrodung und Klimawandel geradezu infernal verbrennenden indonesischen Wäldern. Und sie sterben qualvoll. Ehrlich gesagt, macht mich das beinahe fassungsloser, als all die anderen Konflikte derzeit, weil es so grauenhaft für die ohnehin schon von Wilderei, Abholzung, Verseuchung und Nahrungsmangel geplagten Wesen ist. Die haben keine Partei, keine Kirche, nichts. Und keine Alternative. Keine. Ein Mensch kann zur Not noch woanders leben. Ein Elefant, Nashorn, Orang Utan, von kleineren Lebewesen, wie Amphibien, Schmetterlingen, Kolibris ganz zu schweigen.
Und das passiert gerade weltweit. In den Meeren, Wäldern, Bergen. Man muß kein Tierfreund sein, um zu begreifen, daß auf dieser Erde alle biologischen und meteorologischen, kommerziellen und meteorologischen Abläufe miteinander verwoben sind. Fehlt der Regenwald in Indonesien, wird es auch in Australien trockener. Noch trockener. Damit sterben noch mehr Nutztiere. Ähnliches in Syrien, im Sahel , im Sudan, in Algerien, jetzt schon passiert. V O R den Unruhen und folgenden Kriegen. Wasser wird teurer. Brot wird teuer. Gemüse wird teuer. Alles. Landwirtschaft lohnt sich nicht mehr.
Und dann wird Essen zum Luxus. Ich meine, nicht teuer. Sondern L U X U S.
Schon jetzt spüren wir selbst in den besser verdienenden Regionen den Klimawandel. Weil Ackerbau teurer wird, verlassen die Bauern ihre Ländereien, ziehen in die Megastädte, wo das Leben auch hart verdient ist. Wo die Kinder mit anpacken müssen, auch in den Schwellenländern. Und wo in den Industrienationen bald zwei Jobs nicht mehr reichen, um sich alleine mit einem Drittel des Standards der Elterngeneration durch zu schlagen, von der Mühe, eine Familie zu ernähren, ganz zu schweigen.
Wenige Glückliche haben fehlerfrei geerbt oder ihr Vermögen an der Börse vervielfacht. Denn Kapital geht, wir wir aus der Volkswirtschaftslehre wissen, ja nicht verloren, es wandert. Wandern tun dann aber auch die anderen 99% der Menschheit, die gerade weniger Glück an der Börse hatten oder mangels Auswahl an Luxusyachten irgendwie anders zurecht kommen müssen. Ja, die wandern dann. Also knapp 7 Milliarden Menschen! Eine Menge. Vom Land in die Stadt. Aus dem Kriegsgebieten der orientalischen Welt nach Europa. Aus den überfluteten Küstengebieten Asiens in die Megacities.
Die Welt zu Haus
Weil es aber mehr und mehr auch hierzulande für sehr viele Menschen teurer wird, auch immer untragbarer wird, Tragbares zu erwerben, bieten Discounter Billigtextilien, gefertigt von flinken Kinderhänden aus Südasien, recht erfolgreich an. Weil’s so billig ist, stürzt so eine Textilfabrik halt auch mal mangels Sicherheitsvorkehrungen ein. „Na ja, schrecklich, aber… und. Sind ja viele Kinder dort in Asien“. Andere Kinder nehmen dann halt für ein paar Bissen Brot eines Söldners eine AK-47 in die Hand und ballern unter Zwang ihre Eltern platt. Wie die Kindersoldaten in Sierra Leone oder Somalia oder im Kongo oder, oder, oder…da haben dann plötzlich ein paar sehr konfliktreiche Länder ganz schön viele Waffen. Wo die wohl herkommen? Aber es muß ja Geld ins Haus. Auch wenn die Waffen dann irgendwie zurück wandern. Doch da kann man sich ja absichern.
Wie wir sehen, sehen wir gerade viel „Sicherheit“. Abgrenzen. Aufrüsten. Blöd nur, wenn unsere Nachbarn das ähnlich sehen. Und wenn wir nicht mit unseren Nachbarn zu Recht kommen, müssen wir also immer mehr aufrüsten. Die „Anderen“ rüsten aber auch auf. Wir dann also auch…und so weiter, kennt meine Generation noch aus den 70ern und 80ern. Hört erst auf, wenn’s nicht mehr geht.
Dürre
In Kalifornien, Utah, Arizona bis nach Texas setzt seit mehreren Jahren die schwerste Dürrephase seit Beginn der Wetteraufzeichnungen eine der reichsten Regionen der Erde in heftige Herausforderung. Der einzige Grund, weshalb die Menschen im Südwesten der USA nicht wegen Durst mit der Heugabel, äh, mit der 44er aufeinander losgehen, um beim Nachbarn dessen Swimming Pool leerzusaufen, ist der immer noch funktionierende Wohlstand dort: Das Bier wird teurer, es kommt aus Colorado. Aber es wird bezahlt. Doch die Dürre breitet sich aus – auch im Großraum Los Angeles sind Kanalisation, Vermeidung von Pandemien und Aufrechterhaltung hygienischer Standards, gerade in Kliniken ein Thema. Noch kein bedrohendes Thema, aber ein wachsendes, wichtiges Thema. Niccoló Macchiavelli lehrte: „Egal wie Du herrschst, egal, ob Du eroberst, oder erobert wirst: Sorge stets für bezahlbares Essen!“ – Im Maghreb waren, lange vor der kalifornischen Trockenheit, ähnliche Dürrephasen Anlaß für Revolten: Stichwort Verteuerung der Brotpreise. In Kalifornien murren die Bewohner, weil Golfplätze phasenweise schließen und am Strand nicht mehr geduscht werden kann. Oh weh!
Dürre wandert auch. Was in Kalifornien jetzt passiert, passierte auf beinahe dem gleichen Breitengrad einen Ozean weiter östlich in Europa: Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, als der Verfasser dieser Zeilen in Cádiz wohnte, wurde ab 21.00h Abends bis morgens um 7.00h das Wasser abgestellt. Hahn zu. Für Monate! Änderte das Essverhalten, denn bei 32 Grad Hitze möchte man nach reichlich Eintopf nicht ohne gefüllte Zisterne zum Abort…nun , ja…es gab Eimer…und die Bunkermentalität kennen wir ja auch noch; also wurde Wasser tagsüber gehamstert und abends Schluck für Schluck ausgegeben. Rationalisiert. Grund für diese einzig konsequente Maßnahme der Kommunalregierung war eine sehr heftige Dürrephase in Westandalusien. Es hatte gebietsweise nicht mehr als 3 Regentage im Jahr gegeben. Touristen möchten sich aber gerne im Juli abends nach dem Strandbad den Sand aus den Haaren waschen. Schon fehlt das Geld. Fehlen Touristen. Fehlen Steuern. Fehlt Arbeit.
Wird Wasser also noch teurer, kommt Armut, kommt Hygienemangel, kommen Krankheiten, kommen Unruhen: Die wochenlangen, der Arbeitslosigkeit geschuldeten Werftarbeiterkämpfe in Spanien mit vielen Schwerstverletzten, Ausnahmezustand, gar Toten in Westandalusien bildeten im Jahre 1995 den Höhepunkt der Hitzephase. Fallschirmjäger aus Madrid seilten sich per Helikopter auf Hausdächer ab, verplombten Wohnungen. Ausgangssperre 24h. Damals hat kaum eine Zeitung im Rest Europas, auch in Deutschland, kaum bis gar nicht darüber berichtet. Es gab zu jener Zeit kein Social Media. Heute wäre das undenkbar. Danach kam langsam der Regen, kam das Wasser zurück. Kam der Tourismus. Der relative Wohlstand. Zumindest bis zur Finanzkrise 13 Jahre später.
Seit über zehn Jahren ist das Klima ausgerechnet in Andalusien wieder sehr westeuropäisch, die Stauseen voll , es regnet viel, ja, schneit sogar im Winter. Auch das ist wieder ein Extrem. Aber in dieser Form ein Besseres für die Bewohner im Süden Spaniens. Der Klimawandel beschert der iberischen Halbinsel mehr Atlantikstürme und -regen. Da hat Prince Charles völlig recht. Und nicht nur der. Warum das so ist, klären wir in diesem Weblog mit Daten der spanischen Wetterbehörde, aber auch mit Daten der NOOA, des DWD, den Helmholtz – Instituten AWI oder Geomar vielleicht noch einmal ab. Aber letzten Endes ist es so, wie wir es seit Aristoteles wissen: Die Physik, also die Natur, sucht stets den Ausgleich. Das gilt auch für die Menschen:
Die Gründe für Migration sind letzten Endes fast egal. Sie gehen von dort weg, wo kein Leben möglich ist und gehen dann, wo Leben, zumindest physisch, möglich ist. Das würde jeder so machen. Auch in Kalifornien. Auch in Bad Salzdethfurt. Ich sage „fast“, weil Terror, Krieg und Verfolgung in ihrer ethischen Obszönität noch etwas Anderes, Menschen Verachtenderes darstellen, als eine schiere Naturkatastrophe, auch wenn Sie vom Menschen direkt oder indirekt, also per Abholzung oder Treibhausgas -Emission ausgelöst wurden.
Und da hat Autorin Zoë Beck in ihrem folgenden Statement dieser letzten, heftigen (und nicht endenden) Monate Recht, die nach all dem Für und Wider für die richtige oder falsche Flüchtlingspolitik, vor allem ihrer Ursachen gegenüber,definitiv, aber mit kühlem Kopf, diskutiert werden muß. Sie faßt es in ihrem Blog heute so zusammen:
„Wir haben Staaten erfunden, Grenzen gezogen, Kriege begonnen, Waffen exportiert, Ressourcen geplündert, Ausbeutung gefördert, Strukturen zerstört, korrupte Regime unterstützt. Wir haben das am liebsten woanders getan, weit weg von hier. Wir tun so, als wüssten wir, wie die Welt zu funktionieren hat. Wir haben mehr, als wir begreifen wollen, aber es reicht uns nicht. Wir, hier in Sicherheit, und Die Anderen, weit weg. Das funktioniert nicht. Die Welt gehört nicht uns, schon gar nicht uns allein.
„Eissee“. ©Fotografie Landa Garcia, Brandenburg 2010 IMG_1830
Es ist nur Zufall, dass Wir nicht Die Anderen sind. (…) Es ist außerdem Winter.
Da draußen sind Familien mit Kindern.“
Auszug des Beitrags „Just Saying„, von Zoë Beck.
Quelle und vollständiger Text: Erase & Rewind. 23.11.2015
